Aufstand, Harmonie, Industriegesellschaft, Kirgisien, Krieg, Umwelt.
10. April 2010 von admin
Rette sich, wer kann
Mai 1990 hat ein Daniel Wood im West Magazine (Kanada) Maurice Strong interviewt. Strong war über halbstaatliche Energiefirmen zum Milliardär geworden, stand lange Zeit dem UNO-Umweltprogramm (UNEP) vor, organisierte den UNO-Earthday 1972, warnte als einer der Ersten vor der Klimaerwärmung und leitete die Umorganisation der UNO. Er musste wegen Betrügereien im Zusammenhang mit dem Food-for-Oil Progamm der UNO zur Vorbereitung der Eroberung des Irak zurücktreten. Sein Interview gipfelte in den Worten: “Der einzige Weg, um den Planeten vor der Zerstörung zu retten, ist der Kollaps der industriellen Zivilisation. Haben wir nicht die Verantwortung, dass es dazu auch kommt?“ Sie haben richtig gelesen: Beseitigung der Industrie. Er sprach dabei über ein Romanprojekt, um seine Ideen publik zu machen. Es sollte von „einer Gruppe von Weltführern, eine geheimen Gesellschaft mit dem Ziel handeln, einen wirtschaftlichen Zusammenbruch auszulösen. … Das sind keine Terroristen, das sind Weltführer… Sie haben sich auf dem Weltmarkt in Schlüsselpositionen gebracht … Sie verhindern, dass die Weltfinanzmärkte (nach der Krise) geschlossen werden. Sie legen sogar noch einen Gang zu … und die reichen Länder…“ Strong soll mit einer Geste gemacht haben, als wollte er eine Kippe wegschnippt. Auf dem Earth Summit in Rio 1992 verkündete er, nachdem ihm US-Präsident Bush sen. gegen Widerstand innerhalb der UNO-Bürokratie gestärkt hatte: „Es ist klar, dass gegenwärtige Lebensstile und Konsum-Muster mit hohem Fleischverbrauch, großem Verbrauch von Tiefkühlkost und Fertiggerichten, dem Privatbesitz von Autos und Elektrogeräten, mit Klimatisierung zu Hause und am Arbeitsplatz und mit Wohnen im Eigenheim nicht beibehalten werden dürfen“ – ausgenommen nur die Spitzen der Umwelt-Elite.
Strongs Vorhaben, ein Propagandabuch für den grünen Humanozid zu schreiben, hat nun Keith Farnish ausgeführt, als Taschenbuch unter dem Titel „Time’s UP, an Uncivilized Solution to the Global Crisis“, (Green Books, Totnes Devon 2010) als kostenloser Internet Download unter: „A Matter Of Scales“. Das Motto: „Der einzige Weg um den globalen ökologischen Kollaps abzuwenden, ist, die Welt von der Industriellen Zivilisation zu befreien“ – um des “Klimaschutzes” willen. Der Verlag wirbt mit dem Klimapabst der USA, Prof. James Hansen und seinen Worten: „Keith Farnish hat Recht, die Zeit ist praktisch ausgelaufen und das System ist das Problem.“ Wie will man die Abtreibung der industriellen Zivilisation erreichen? Gegen den Willen der Bevölkerung dürfte das nicht leicht sein, wäre da nicht das „induzierte Irresein“ in den westlichen Industrienationen. Bleibt gegen die anderen nur Krieg?
Die Unterzeichnung des neuen Vertrags über strategische Offensivwaffen (START-Nachfolgevertrag) „wird die Abrüstungs-, Kooperations- und Non-Proliferation-Prozesse in der Welt in den nächsten Jahren mitprägen“ meint Russlands Präsident Dmitri Medwedew am 7.4. bei seinem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus in Prag vor der Unterzeichnung. Der Vertrag sieht vor, die Gesamtzahl der nuklearen Gefechtsköpfe um ein Drittel und die Zahl der strategischen Trägerwaffen um mehr als die Hälfte zu senken. „Dieser Vertrag soll, so Gastgeber Klaus, „internationale Spannungen mildern, die im Zusammenhang mit dem Terrorismus an den Tag treten.“ Wird er das? Die Russen machen ihn von einem weiteren Vertrag über Raketenabwehrsysteme (ABM) abhängig. Außerdem werden Großmachtinteressen längst durch Terrorismus ausgetragen. Ein atomarer Schlagabtausch der Großmächte gehört nicht mehr zur Strategie der „Global Dominance“.
US-Vizepräsident Joe Biden brachte dies in der Los Angeles Times vom 6.4. auf den Punkt: „Die atomare Bedrohung durch Terroristen und Nicht-Atommächte, die Kernwaffen in ihren Besitz bringen wollen, ist heute so ernsthaft wie nie zuvor“ anlässlich der Veröffentlichung der neuen Nuklearstrategie der USA, die den nuklearen Terrorismus und die Weiterverbreitung von Kernwaffen als Hauptbedrohung einstufen. „Die Gefahr eines durchdachten globalen Atomkriegs ist alles andere als vorüber“, auch wenn die Konfrontation zwischen den Atommächten nicht mehr dominierend sei, meint Biden. Die USA setzten, um den Bedrohungen gerecht zu werden, vermehrt auf konventionelle Waffen und „Raketenabwehr“. Nur um ihre Atomwaffen besser zu – so der Vize – „haben wir beim Kongress eine Steigerung der Finanzierung des Atomkomplexes um fünf Milliarden US-Dollar beantragt.“ Für einen aufmerksamen und selbst denkenden Menschen dürfte es keine Frage sein, wer zu welchem Zweck den internationalen Terrorismus steuert. Die simple Frage, „Wem nützt es“ würde hierbei der Einsicht weiter helfen.
Wenn unsere Regierung schon nicht selbst denkt (dafür hat sie Drähte nach Washington und Brüssel), andere tun es und machen sich Sorgen. Deshalb wurde noch während die START-Verhandlungen ein heißer Telefondraht zwischen den Regierungschefs Chinas und Indiens geschaltet. Chinas Premierminister Wen Jiabao nannte ihn einen Schritt „zu engeren Beziehungen zwischen beiden Seiten“ (Erklärung des chinesischen Außenministeriums beim Treffen mit dem indischen Außenminister S. M. Krishna am 7.4.) und weiter: „Die VR China ist bereit, das gegenseitige Vertrauen mit Indien zu festigen, die Grenzfragen in gebührender Weise zu regeln, das Niveau der Beziehungen der strategischen Partnerschaft zu steigern sowie zur Entwicklung Asiens und zur Durchsetzung der globalen Harmonie beizutragen.“ Hoffentlich haben sie damit Erfolg, ohne überrascht zu werden.
Am 7. 4. äußerte sich Chinas Vizeaußenminister Cui Tiankai in ähnlicher Weise, als er den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mit den anderen BRIC-Ländern (Brasilien, Russland und Indien) im Interesse einer erfolgreichen Überwindung der globalen Finanzkrise, ankündigte. Chinas Staatspräsident und starker Mann, Hu Jintao, reist nun quasi in den Fußstapfen Medwedews nach Brasilien, um mit den Präsidenten Russlands Brasiliens und Indiens am 2. BRIC-Gipfel teilzunehmen, danach besucht er Venezuela und Chile. „Wir glauben, dass der Meinungsaustausch innerhalb der BRIC-Gruppe zur Stabilisierung der Weltwirtschaft und zu einer harmonischen Entwicklung der Welt, insbesondere in der jetzigen globalen Wirtschaftssituation, beitragen wird… Wir hoffen, dass der bevorstehende Gipfel die Zusammenarbeit erweitern, das strategische Vertrauen stärken und die pragmatische Zusammenarbeit zwischen den BRIC-Ländern voranbringen wird… Dies ist nicht gegen eine dritte Seite gerichtet“ betonte Cui Tiankai.
Gleichzeitig kam es in Kirgisien zu einer blutigen Revolte gegen Staatspräsident Kurmanbek Bakijew. Die neuen Machthaber seien in sich unentschieden, ob sie den USA weiterhin den Militärstützpunkt in ihrem Land belassen sollen oder nicht, wusste die NYTimes bereits am 8.4. Die neuen Machthaber hätten den USA ihren Flirt mit und die vermehrten Dollar für Bakijew übelgenommen, als dieser den Stützpunkt schließen wollte, und sich nur durch Dollars umstimmen ließ. Russland habe ein starkes Interesse an der Schließung des Stützpunktes und die Opposition gegen die USA bestärkt, meinte die NYT und beruft sich auf Bakyt Beschimow, einen der Oppositionsführer, der im letzten August aus Kirgistan fliehen musst. Bakijew war 2005 selbst durch eine sogenannte Tulpen-Revolution, ähnlich wie in Georgien oder in der Ukraine, an die Macht gekommen. Von mehr Demokratie war dann dort so wenige zu spüren, wie bei den anderen farbigen Revolutionen.
Ismail Issakow Verteidigungsminister der neuen Regierung Kirgisiens meinte am 7.4., Armee und die Grenzschutzbehörde stünden auf der Seite der Aufständischen. Bolotbek Schernijasow, der neue Innenminister behauptet das Gleich von der Polizei. Der Umsturz scheint somit gelungen zu sein. Bakijew hat sich in den Süden des Landes zu den ihm nahestehenden Clans abgesetzt. Ob sich irakische Verhältnisse herausbilden, und wer wem dazu die Waffen und „Berater“ liefern wird, ist bisher kaum zu erkennen.
Paul Quinn-Judge, Projektleiter Zentralasien der International Crisis Group in Brüssel, meint die Russen hätten gegen die Amerikaner in Kirgisien gestänkert, glaubt aber, am Ende wird die Opposition sich wieder den USA zuneigen. Ein paar Dollar werden da behilflich sein.
Die Soldaten der russischen Militärbasis im Norden des Landes wurden in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und dürfen ihren Standort nicht verlassen. Das Pentagon hat seinen Lufttransit über ihren Flugplatz bei Bischkek vorübergehend ausgesetzt. Russlands Präsident Medwedew hält die Ereignisse in Kirgisien für eine innere Angelegenheit des Landes. Russland habe damit nichts zu tun. Seiner Meinung nach zeugt die gewählte Protestform von der äußersten Empörung des Volkes über die Macht im Land, teilte seine Pressesprecherin Natalja Timakowa mit: „Der Präsident meint, das Wichtigste in dieser Situation sei, neue Menschenopfer zu verhindern und die Regierbarkeit des Staates wiederherzustellen.“ Und weiter: „Kirgisien war und bleibt ein strategischer Partner Russlands. Deshalb werden wir mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen, wie sich die Situation in der Republik entwickelt.“ Ähnlich äußerte sich Regierungschef Wladimir Putin. Bakijew habe dieselben Fehler begangen wie sein gestürzter Amtsvorgänger Askar Akajew. Dieser war nach seiner turbulenten „Abwahl“ 2005 nach Moskau geflohen und hatte dort seinen Rücktritt erklärt. Putin betonte, man erwarte nicht, dass Bakijew nach Russland kommen werde. Man wird sehen. Die Ecke zwischen Russland, China und Indien wird zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren Weltentwicklung.
Mitten drin liegt Afghanistan – und wieder einmal verwies das Büro der UNO für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in der vergangene Woche darauf hin, dass Afghanistan nicht nur der größte Opiumproduzent der Welt, sondern auch bei der Produktion von Haschisch weltweit führend sei – und dies unter Aufsicht und Duldung der NATO-Besatzungstruppen. Bekanntlich hatten die Taliban vor der Invasion 2001 den Drogenanbau in Afghanistan weitgehend ausgemerzt. Erst unter dem Schutz der ISAF-Truppen bauten die Bauern wieder Drogen an, obwohl der Westen angeblich einen konsequenten „Krieg gegen Drogen“ führt? Aber den Westen denkt und die Hochfinanz lenkt. Denn Geld stinkt nicht und Drogen machen neben Geld auch blöd. Der „Schwarze Afghane“ half mit, aus der roten Studenten-Revolte eine grüne zu machen. Die UNODC schätzt die neuen Cannabis-Anbauflächen auf bis zu 24.000 Hektar mit einer Jahresproduktion von an die 3.500 Tonnen Haschisch. Dafür sterben deutsche Soldaten, während sich sogar der Quisling des Westens, Präsident Karsai, besinnt, sich gegen die Besatzungsmächte ausspricht und damit droht, sich den Widerstandskämpfern, also den Taliban, anzuschließen. US-Außenministerin Clinton war bei ihrem kürzlichen Besuch „not amused“. Logisch! Und Sie? Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche „Freiheit“ wir dort verteidigen und finanzieren? Doch nicht die Ihre, eher die von Ganoven, Rauschgifthändler und deren Finanziers. Leider sind das aber auch unsere Finanziers. – und eben da liegt das Problem.
H.Böttiger