IFW/Weltbank-Tagung, G-20 Gipfel Pittsburgh, Sonderziehungsrechte, neues Finanzsystem
10. Oktober 2009 von admin
„Wer soll das bezahlen, wer …?“
Am Dienstag 6. 10. begann die IFW/Weltbank-Jahrestagung in Istanbul. Den Auftakt bot, wie inzwischen üblich, die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen den Protest von etwa 6000 Aktivisten (Polizeiangaben) auf dem zentralen Taksim-Platz. Die Leute protestierten gegen „die da oben“, weil die an der Krise und der damit verbundenen Verarmung schuld sind. Wie und warum sie daran schuld sind, ist wohl den wenigsten klar.
Dabei hatte Weltbankchef Robert B. Zoelick es ihnen sogar gesagt (wenn auch in anderer Absicht). Er erklärte, wie der Dollar die Amerikaner reicher gemacht hat. „Die Vereinigten Staaten hatten ein unglaubliches Glück, dass der Dollar (als Weltreservewährung) einen so besonderen Status genießt.“ Er hat es den Amerikanern ermöglicht, Dinge im Ausland zu kaufen und dafür mit Dollars zu bezahlten. Diese blieben dann, anstatt in die Vereinigten Staaten zurückzukehren und dort Ansprüche auf amerikanische Erzeugnisse geltend zu machen, in den Schatzkammern der Zentralbanken anderer Länder. Die „Vereinigten Staaten konnten Schuldscheine ausstellen und diese niemals begleichen. Ein exorbitantes Privileg“, kommentierte Valery Giscard d’Estaing. So hatten die USA ‚Kredit‘, bzw. ‚Entwicklungshilfe‘ im großen Stil bekommen. Als die Dollars unter den Matratzen im Ausland zu viele wurden, begann ein Teil von Ihnen zurückzukehren, um in den USA „sicherere“ Anlagenwerte zu kaufen. Das trieb die Preise in luftige Höhen: Waren gegen Geld und dann Geld gegen Papier, ein Bomben-Geschäft.
Das vermeintliche Glück war wie ein Lotteriegewinn, der selten tatsächlich Glück bringt. Die Amerikaner, d.h. ihre Verantwortlichen ohne Haftung, haben deutlich zu viele Schuldscheine ausgestellt und ihre Wirtschaftsbosse haben sich statt auf die Güterproduktion auf den Wertpapiervertrieb konzentriert. In den USA betrug das Verhältnis Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt nach dem Krieg als das neue US-imperiale Geldsystem (von Breton Woods) begann, etwa 150%. Zum Höhepunkt des Schuldscheinexports gegen Waren hatte die Gesamtverschuldung in Amerika 360% des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Wirtschaftswissenschaftlern schien das, ein wahrhaft beglückendes, Sorgen freies Wirtschaftssystem zu sein. Für die Pflege und Propagierung einer derart „dynamischen und flexiblen“ Wirtschaft erhielten sie Jahr für Jahr die Nobelpreise für Wirtschaft.
Dann kamen Zweifel auf, und die Anlagepreise stürzten ab, weil in den Jahren 2007 bis 2009 die zahlungswillige Nachfrage auszubleiben begann. Im März stürzten die Aktienwerte in Richtung ihrer Realwerte, was seit 1968 nicht mehr geschehen war. Gleiches geschah mit den Häuserpreisen. Bis März 2009 war für ein Viertel der US-Hausbesitzer die Hypothek unter den Verkehrswert ihres Hauses abgesunken, sie saßen in einem negativen Vermögen. Gleichzeitig brachen die Einkommen für die US-Haushalte ein. Alles fiel – außer den Schulden. Während des größten und längsten Booms aller Zeiten und mit dem Monopol auf die Reservewährung der Welt, hatten die Amerikaner den Boden unter den Füßen verloren. Nun müssen sie sparen, um aus dem Zahlungsloch wieder herauszukommen – und die Produzenten in der „freien“ Welt verlieren Erlöse und Arbeitseinkommen.
Ob die Ankündigung von Herrn Zoelick „Blickt man nach vorne, dann wird es zunehmend Alternativen zum Dollar geben“, die Protestierer trösten und etwas für die Weltkonjunktur ändern wird? Was aber meinte er selbst? Russland und Golfstaaten wollen auf den US-Dollar im Rohölhandel verzichten und führen darüber Geheimgespräche mit China, Frankreich und Japan, meldete die britische Zeitung The Independent am 7.10 und berief sich dafür auf Bankenkreise. Finanzminister und Zentralbankchefs der erwähnten Länder hätten über die Einführung eines Währungskorbs aus Gold, Yen, Yuan, Euro und einer neuen gemeinsamen Währung der Golfstaaten als Verrechnungseinheit für Rohstoffe beraten. Russlands Vizepremier und Finanzminister Alexej Kudrin verweigerte dazu in Istanbul jeden Kommentar. Sein Vize Dmitri Pankin leugnete, dass das Finanzministerium an derartigen Verhandlungen beteiligt gewesen sei. Zuvor hatten Medien geunkt, dass die USA zur Sanierung ihres Finanzsystems eine Nordamerikanische Union mit der gemeinsamen Währung „Amero“ ins Leben rufen wollen. Laut arabischen Medien planen die wichtigen Öllieferanten im Golf Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain und Katar eine gemeinsame Währung.
Noch am gleichen Tag gab der saudi-arabische Notenbankchef, Mohammed al Dschasser, seine Zurückhaltung auf und bezeichnete die Meldung als „absolut falsch“. Saudi Arabien führe keine solchen Gespräche, und Frankreichs Wirtschaftsministerin, Christine Lagarde, pflichtete dem mit der Beteuerung bei, dass „die Abschaffung des Dollar im Rohölhandel (vorerst?) nicht auf der Tagesordnung“ stünde und „dies alles Spekulationen“ seien. Nur Spekulationen? Laut Independent wissen die US-Behörden um diese Pläne und wollen den Komplott aushebeln, zumal sich die US-loyalen Länder Japan, Sarkosys Frankreich und die Golfstaaten daran beteiligen wollen.
Dem ehemaligen chinesischen Nahost-Beauftragten Sun Bigan fiel im Gespräch mit der Zeitung ‚nur‘ ein, vor einer verschärften Rivalität zwischen China und den USA um die Rohstoffe des Nahen Ostens zu warnen. Und Alexej Kudrin, der die russische Delegation bei der IWF/Weltbank Tagung in Istanbul leitete, wusste nur zu vermelden: Die Länder der BRIC-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien und China) werden auf internationaler Ebene weiter eine Erhöhung der Stimmenquote für Entwicklungsländer beim Internationalen Währungsfonds (IWF) um sieben Prozent und bei der Weltbank um sechs Prozent fordern. Dieser Prozentsatz sei in einem Kommuniqué von den BRIC-Staaten festgelegt worden. Die G-20 Staaten hatten im September in Pittsburg, USA, beschlossen, die Stimmenquote für Entwicklungsländer beim IWF nicht weniger als um fünf Prozent und bei der Weltbank nicht weniger als um drei Prozent anzuheben. Die BRIC-Länder wollen laut Kudrin mehr haben. Die Stimmrechtsreform des IWF soll bis Januar 2011 abgeschlossen sein. Bis dahin kann noch viel geschehen.
Jim Rickards von der US-Beraterfirma Omnis, sagte im Fernsehen (CNBC) am 25. 9., der G20-Gipfel in Pittsburgh habe beschlossen den „IWF zur weltweiten Zentralbank zu erheben“. Der IWF solle künftig statt den USA die Weltreservewährung stellen. „Zum ersten Mal in der Geschichte bringe sie Schulden in Umlauf“, erklärte Rickards, „sie emittiere Sonderziehungsrechte (SZR); … diese SZR sind durch nichts gedeckt.“ Bei den SZR handelt es sich nicht um Kaufgeld, sondern um sogenanntes high powered money, das Banken als Grundlage zur Kreditgewährung an Marktteilnehmer dient. Zuletzt wurden SZR in den achtziger Jahren ausgegeben, damals etwa 30 Mrd. Dollar, jetzt sollen es erst einmal 300 Mrd. sein. Die relativ geringe Zahl trügt, weil sich damit im bisherigen Finanzsystem ein vielfacher Betrag an Kaufgeld schöpfen lässt.
Der Grund zur Schaffung einer neuen Weltreservewährung ist das sogenannte „Triffin Dilemma“ (nach dem Ökonomen Robert Triffin, der 1958 erstmals darauf hingewiesen hatte). Als Reservewährung hat der Dollar die Abwicklung des Welthandels zu gewährleisten. Mit Zunahme des Handels wuchs der Bedarf an umlaufendem Geld, der nur durch die Verschuldung des Landes, das dafür die Weltwährung stellte, gedeckt werden konnte. Die Planer des US-imperialen Währungssystems in Breton Woods hatten diese Seite der Entwicklung aus Freude über die neuen billigen Zugriffsmöglichkeiten der USA auf die Realvermögen der übrigen (westlichen) Welt außer Acht gelassen.
Am Tag des G20-Treffens (25.9.) hatte Federal Reserve (FED)-Gouverneur Kevin Warsh im Wall Street Journal geschrieben: „Wir müssen irgendwie vom Dollar loskommen, aber das wird schrittweise geschehen.“ Die FED könne die Währungsstabilität nicht mehr garantieren. Sie inflationiert den Dollar, um die Banken zu stützen.“ Das müsse geschehen, weil die Höhe der offenen Schulden die Menge des zur Rückzahlung zur Verfügung stehenden Geldes bei Weitem übersteigt. Die Eventualverbindlichkeiten (z.B. durch künftige Pensionsforderungen) der Regierung betragen, laut Rickards, inzwischen 6 Billionen Dollar. „Diese Verbindlichkeiten durch eine Kombination von Wachstum und Steuern auszugleichen, ist nicht vorstellbar.“ Die Regierung könne im Laufe der kommenden 14 Jahre nur etwa die Hälfte davon ausgleichen, was bedeutet, dass der Dollar im gleichen Zeitraum um die Hälfte abgewertet werden müsse. Ähnliches gilt natürlich auch für ihre deutschen Vasallen. Die drastische Abwertung ihres hartverdienten Geldes kommt beim Bürger, auch wenn er sich an die schleichende Abwertung bereits gewöhnt hat, nicht gut an.
Die Bundesregierung stellt sich bereits auf eine derartige Inflation ein. Am 6. Juli 2009 wurde das „Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens (BGBl. I S. 1702) ausgefertigt, dessen Zweck laut §2 sein soll: „Mit der Errichtung des Sondervermögens soll durch Zuführung von Mitteln aus dem Bundeshaushalt Vorsorge für die Inflationsentwicklung während der Laufzeit von inflationsindexierten Bundeswertpapieren getroffen werden. Bei Fälligkeit eines inflationsindexierten Bundeswertpapiers soll aus dem Sondervermögen der Betrag gezahlt werden, um den der Rückzahlungsbetrag den Gesamtnennbetrag übersteigt.“
Allerdings hat die Begründung des Direktors der Beratungsfirma einen Haken. Es ist nie genug Geld da, um ausstehende Schulden zu begleichen, weil alles Geld in Form von Krediten durch die Geschäftsbanken geschöpft wird, und diese nur die Kreditsumme schöpfen aber nie die bis zur Rückzahlung des Kredits fälligen Zinsen. In diesem Dilemma liegt die eigentliche Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise. Das wissen natürlich die Bankiers des Finanzhochadels (nicht die kleinen Bankangestellten, die Sie kennen lernen), darauf gründet ihre Macht über Politik, Regierungen und Gesellschaft. Um die übergroß gewordene Diskrepanz zwischen Geld und Schulden abzumildern, wollen sie mit den SZR des IWF eine fiktive Geldquelle außerhalb des bisherigen Währungssystems schaffen, aus dem sie die Implosion der Weltüberverschuldung etwas entspannen wollen, ohne die Kontrolle über die Geldschöpfung, das heißt ihre Macht, zu verlieren.
Um die Kontrollmöglichkeit über den Weltzahlungsverkehr wird zurzeit hinter den verschlossenen Türen der Machtblöcke nicht nur unter der Rubrik „Stimmrechtsreform des IWF“, dem Verwaltungssitz des westlichen Finanzhochadels, gerungen. Den aufstrebenden Entwicklungsländern geht es (notfalls?) auch um eine grundsätzlichere Alternative zum bisherigen Weltfinanzsystem, einer eigenen Verrechnungsstelle aufgrund eines zu verabredenden Währungskorbs. Weil es hier um die Grundlagen der Macht geht, wird hart an der Schwelle zum militärischen Machtkampf gerungen. Diese Schwelle liegt, wegen seiner militärischen Möglichkeiten (US-Army) für den Finanzhochadel des Westens, deutlich niedriger als für die aufstrebenden und sich aus dem Zangengriff des Finanzhochadels befreienden BRIC Länder. Dass diese sich der Gefahr bewusst sind, zeigen der Kommentar Sun Bigans am Rande der IWF/Weltbank Konferenz in Istanbul, aber auch ein Blick in die weltweiten Rüstungsanstrengungen nach dem vermeintlichen Ende des Ost-West Konflikts.
Von dieser Lage, die sich mit der Entwicklung der Finanzkrise immer brenzliger zuspitzt, soll das seit den siebziger Jahren inszenierte Theater um Umweltzerstörung, Lebensmittelvergiftung, DDT-, Chemie-, Kernenergie-Verteufelung, Verlust der Artenvielfalt, Waldsterben, Ozonloch, Verschmutzung der Ozeane, Neonazis, Klimaveränderung ausgerechnet durch die Pflanzennahrung CO2, Terrorismus, Vogel-, Schweinegrippe und um den nicht unterworfenen und den westlichen Werten noch nicht angepassten Islam ablenken – so weit es nicht sogar (wie der sogenannte „Krieg gegen Terrorismus“) schon der Vorbereitung des Konflikts dient.
H.Böttiger